Der Raspberry Pi 2 als Desktop-Computer

Der urprüngliche Raspberry Pi ist ein Mini-Rechner für vieles – u.a. ein ausgezeichnetes Mediencenter – , ein Ersatz für einen „klassischen“ Desktop-PC ist er jedoch nicht. Dafür ist seine Hardwareausstattung definitiv zu schwächlich. Zwar habe ich den ersten Pi auch als Basis für einen Owncloud– und Seafile-Server genutzt, doch arbeitete das kleine Kistchen da hart am Anschlag. Der seit Anfang 2015 erhältliche Raspberry Pi 2 spielt leistungsmäßig in einer anderen Liga. Ich habe deshalb ausprobiert, ob er einen Desktop-Computer ersetzen kann für jemand, der sich nicht groß mit Technik herumschlagen und einfach seinen Rechner für gängige Aufgaben nutzen möchte.

Hardware

Kurz ein paar Angaben zur Hardwareausstattung und dem eingesetzen Betriebssystem:

  • Raspberry Pi 2
  • 16 GB MicroSD mit Raspbian und Kodi
  • Edimax WLAN-Adapter
  • 32 GB Mini-USB-Stick
  • Logitech-Dongle, Funktastatur und -maus

Die Komponenten arbeiten problemlos zusammen; lediglich der Logitech-Dongle machte Probleme. Erst als ich ihn nicht direkt an einem der USB-Ports des PI 2 anschloss, sondern an einem (passiven) Hub, funktionierten Tastatur und Maus problemlos.

Erster Eindruck

Schon bei der Einrichtung wird klar: Dieser Pi hat mehr drauf. Alles läuft flüssiger und schneller ab als beim ersten Pi. Endlich bringt der Pi einen halbwegs vernünftigen Webbroser (Epiphany) mit, mit dem sich die meisten Webseiten gut und mit guter Geschwindigkeit darstellen lassen. Die sonstige Grundausstattung mit Software ist recht bescheiden und richtet sich nicht am klassischen Desktop-PC aus. Und man muss sich darüber im klaren sein, dass es nicht alles aus der Debian-Welt auch für die ARM-Architektur des PI 2 gibt.

desktop_mit_cairo
Raspbian Desktop mit Cairo-Dock

Software

Die Basics eines klassischen Desktop-Computers – surfen, kommunizieren, arbeiten (Office), digitale Medien konsumieren und bearbeiten – deckt der Pi 2 gut ab, allerdings schwächelt er ausgerechnet beim Umgang mit Medien/Videos (mehr dazu weiter unten).

Browser

Der Epiphany-Browser ist nicht „vollwertig“ wie Chrome oder Firefox unter OS X, Windows oder Linux, für vieles aber reicht er. Bei Youtube wird man allerdings kaum glücklich damit; zwar kann er HTML5, doch bei den meisten Videos kommt trotzdem eine Fehlermeldung (z.B.“encrypted streams not supported”). Auch ein Download von Chromium hilft hier nicht weiter. Es kommt die Meldung, dass der Browser nicht unterstützt wird; versucht man trotzdem ein Video abzuspielen, stürzt Chromium kommentarlos ab. Erst Iceweasel (Firefox) hilft einem da aus der Patsche: die meisten Youtube-Videos werden klaglos abgespielt, so lange sie als HTML5 bereit liegen.

Der „eingebaute“ Epiphany-Browser tut’s für den Alltag ohne Videos. Iceweasel ist nicht ganz so flott, dafür aber deutlich vielseitiger. Also: „sudo apt-get install iceweasel“.

Office

LibreOffice gibt es in einer Version für den Raspi. Da alle Bestandteile von LibreOffice mit sehr guter Geschwindigkeit laufen, gibt es in diesem Bereich keinerlei Einschränkungen. Der Pi 2 ist – und das ist doch recht überraschend – voll officetauglich.

Mail und Messenger

Als Mail Clients kommen Claws und Icedove (Thunderbird) in Frage. Ich habe der Bequemlichkeit halber Icedove installiert, da ich unter Linux meist mit Thunderbird arbeite. Icedove ist vermutlich etwas überdimensioniert für den Raspi, läuft aber problemlos und schnell genug. Als Chat Client/Messenger gibt es Pidgin (das ich allerdings nicht installiert/getestet habe).

Digitale Medien

Es ist schon etwas ironisch, dass der Raspi ausgerechnet in dem Bereich Defizite hat, der eigentlich seine größte Stärke ist. Zur Erklärung: Der Raspi wird mit Hilfe von Kodi (XBMC) bekanntlich zu einem ausgezeichneten Mediencenter. Allerdings kann der Pi 2, sofern darauf lediglich Raspbian als Betriebssystem installiert ist, nur recht mangelhaft mit digitalen Medien – in erster Linie Videos – umgehen. Für Raspbian gibt es meines Wissens nur das Kommandozeilen-Programm omxplayer, um Videos in gängigen Formaten abzuspielen. Zwar ist die Bedienung von omxplayer auf der Kommandozeile kein Hexenwerk – „omxplayer tatort.mp4“ spielt die Datei ab – , doch wirklich komfortabel ist das bei vielen Videos in unterschiedlichen Verzeichnissen nicht. Dazu kommt, dass übliche Funktionen wie Pause, schnell vorwärts u.ä. nur per Tastaturkürzel zur Verfügung stehen, und das auch nur in recht rudimentärer Form.

Wer den Pi 2 auch als Medienrechner nutzen möchte, kommt nicht um die Installation von Kodi herum. Zum Glück kann man Kodi problemlos unter Raspbian installieren und bei Bedarf starten. Hier gibt es eine Anleitung, der ich gefolgt bin. Das Ganze war in ein paar Minuten erledigt; die Einrichtung von Kodi dauert allerdings deutlich länger.

Einen Bildbetrachter bringt Raspbian bereits mit, Bildbearbeitungssoftware gibt es in den Repositories. Sehr brauchbar für grundlegende Aufgaben ist gthumb. Auch Gimp gibt es für den Raspi. Das ist wohl eher was für die Mutigen, soll aber sehr annehmbar auf dem Pi 2 laufen (getestet habe ich das nicht).

Fazit

Die Antwort auf die Frage, ob ein Pi 2 einen Desktop-Computer ersetzen kann, ist ein klares Jein 🙂 Der Pi 2 kann durchaus einen Desktop-Computer ersetzen, sofern man sich über die grundlegenden Einschränkungen der Pi-Plattform im Klaren ist. Das Angebot an Software ist bei weitem nicht so groß wie beispielsweise bei Ubuntu. Das liegt daran, dass der Pi 2 nicht mit einer x86 Prozessor-Architektur arbeitet, sondern mit ARM. Das Softwareangebot für das ARM-Raspbian ist im Vergleich zu Ubuntu und anderen großen Linux-Distributionen eher bescheiden. Die Grundbedürfnisse vieler Anwender werden allerdings abgedeckt und die Leistung des Pi 2 reicht allemal aus, um mit dem größten Teil der vorhandenen Software befriedigend bis gut arbeiten zu können.

Große Defizite hat der Pi 2 im Umgang mit der Cloud. Wer es gewohnt ist, seine Dateien mit Dropbox zu synchronisieren, seine Fotos zu Google Drive hochzuladen oder seine Notizen mit Evernote abzugleichen, steht im Regen. Gelegentlich kann man sich mit workarounds behelfen, doch es bleibt die Tatsache, dass es für die allermeisten Cloud-Dienste keine Clients für den Raspi gibt.

 

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4 Antworten zu Der Raspberry Pi 2 als Desktop-Computer

  1. Marco sagt:

    Hallo Uli,

    danke für Deinen guten Pi Artikel. 🙂
    Ich bin gerade darüber gestolpert, innerhalb meiner Suche nach einer Antwort obs für den Pi 2 auch eine aktuellere Version des LibeOffice als die 3.6.1.2 (die man aufm Pi2 installierne kann), gibt.

    Weißt Du da etwas?

    Gruß, Marco

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